Interview mit Timur Birko

ver.di Jugend

Interview mit Timur Birko

Straßenbahnfahrer & Bundesjugendvorstand für den Fachbereich Verkehr im Interview

2012 begann ich meine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker bei der Mainzer Verkehrsgesellschaft. Bereits während dieser Zeit wurde ich Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung und Mitglied bei ver.di. Im Rahmen meiner Möglichkeiten engagierte ich mich ehrenamtlich in verschiedensten Jugendgremien auf Landesbezirksebene und wurde schließlich in den Bundesjugendvorstand für den Fachbereich Verkehr delegiert. Nach meiner Zeit als Jugend- und Auszubildendenvertreter habe ich mich auf der ver.di-Liste als Betriebsratsmitglied aufstellen lassen und bin Ersatzmitglied in unserem aktuellen Gremium.

Nach Abschluss meiner Ausbildung und einer zweijährigen Übernahme in meinem erlernten Beruf wurde ich 2016 in den Fahrdienst versetzt und übe dort die Tätigkeit als Straßenbahnfahrer aus.

 

In Coronazeiten leidet auch der Nahverkehr. Schwierige Ausgangslage für die Tarifrunde, oder?

Definitiv! Die aktuelle Tarifrunde wird kein Zuckerschlecken. Nicht nur, dass der Arbeitgeberverband bereits sagt  „die Kassen sind leer sind“, sondern auch die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger wird nicht besonders hoch sein. Viele sind in Kurzarbeit oder haben ihren Job verloren, da wird es eine große Herausforderung für uns sein, unsere berechtigten Tarifforderungen zu vermitteln.

Was sind eure Forderungen?

Es gibt sowohl einen bundesweiten Forderungskatalog, als auch landesspezifische Forderungen. Im bundesweiten Forderungskatalog möchten wir es schaffen, sämtlichen Kolleg*innen 30 Tage Erholungsurlaub im Jahr zu ermöglichen. Zusätzlich sollen Schicht- u. Wechselschichtzulangen auch im Fahrdienst gezahlt werden und sämtliche Zuschläge auf der jeweiligen, individuellen Erfahrungsstufe berechnet werden. Darüber hinaus fordern wir eine 100%ige Jahressonderzahlung, welche nicht durch Fehlzeiten reduziert werden soll. Bisher ist es so, dass die Ausbildungszeit im Betrieb bei Übernahme nicht angerechnet wird. Dies soll sich insofern ändern, dass diese Zeit als Beschäftigungszeit gilt und somit in den Erfahrungsstufen bei Übernahme  angerechnet wird.

Ist Straßenbahnfahrer*in ein attraktiver Job oder eher nichts wie weg hier?

Selbstverständlich hat jeder Beruf seine individuellen Vor- und Nachteile. Der Beruf im Fahrdienst hat in den letzten Jahren deutlich an Attraktivität verloren. Seien es die häufig unplanbaren Dienstzeiten, respektloses Verhalten von Fahrgästen, die unterdurchschnittliche Vergütung oder der z.T. marode Fahrzeug- u. Infrastrukturbestand. Definitiv wird es Zeit, dass die Bundesregierung erkennt, dass ohne finanzielle Unterstützung des Bundes ein zukunftsweisender ÖPNV kaum noch möglich bzw. tragbar ist. Seit Jahren muss an verschiedensten Stellen innerhalb der Verkehrsbetriebe gespart werden.
Seien es Modernisierung oder Neubeschaffung von Fahrzeugen, der Aus- und Neubau von klimafreundlicheren Straßenbahnlinien oder das Einsparen von Personalkosten. Dies ist im Jahr 2020 nicht mehr hinnehmbar und muss schnellstmöglich geändert werden.

Wie ist die Stimmung bei den Beschäftigten?

Die Stimmung der Kolleg*innen würde ich persönlich als durchwachsen bezeichnen. Es gibt Kolleg*innen, welche nur noch die Jahre oder Tage bis zur Rente zählen, weil diese die „Schnauze voll“ haben und sich mit den Zuständen abgefunden haben. Es gibt aber auch Kolleg*innen, welche tagtäglich ihr Bestmögliches geben, um sämtliche Fahrgäste sicher, zügig und komfortabel ans Ziel zu bringen. Gleiches Bild kann man auch im Rahmen der Tarifrunde erkennen. Es gibt Kolleg*innen, welche sich mit den aktuellen Zuständen abgefunden haben und bereits jetzt sicher sind, dass die Tarifrunde kein Erfolg bringen wird. Diesen Kolleg*innen gegenüber stehen motivierte Menschen, die bereits jetzt in Planungen für Aktionen, aktive „Mittagspausen“ und Warnstreiks stehen. 

Welche Maßnahmen sind seitens des Arbeitgebers ergriffen wurden um die Kolleginnen und Kollegen vor Ansteckungen zu schützen?

Bereits kurz nach Ausbruch des Coronavirus wurde der Fahrscheinverkauf beim Fahrpersonal eingestellt und der Fahrerbereich im Omnibusbereich abgesperrt. Zusätzlich hat der Arbeitgeber dafür gesorgt, dass sämtliche Fahrzeuge mindestens einmal täglich desinfiziert werden. Den Kolleg*innen im Verwaltungsbereich wurde, wenn möglich, die Arbeit im HomeOffice angeboten. In den Werkstätten wurde ein Schichtsystem eingeführt, sodass sich möglichst wenig Kolleg*innen während ihrer Arbeitszeit begegnen.

Wie gehen die Fahrgäste mit der Situation um?

Für die Fahrgäste war es eine große Umstellung, bereits vor Fahrtantritt einen Fahrschein zu kaufen und diesen nicht mehr bei den Kolleg*innen im Fahrdienst lösen zu können. Auch haben einige Fahrgäste scheinbar ein Problem damit, die seit Ende April zu tragenden Mund-Nasen-Bedeckungen korrekt zu nutzen bzw. diese überhaupt zu nutzen.

Welche Kuriositäten hast du bereits erlebt?

Bezogen auf die „Corona-Zeit“? Definitiv ein Fahrgast, welcher mit einem Grundgesetz als Mund-Nasen-Bedeckung durch das Fahrzeug gelaufen ist und andere Fahrgäste über „die Wahrheit“ hinter der Pandemie aufklären wollte.
Außerhalb von Corona finde ich es immer wieder kurios, wenn Fahrgäste mich über den falschen Abstand zwischen Fahrzeug und Haltestelle aufklären wollen und mich darum bitten, näher an der Haltestelle stehen zu bleiben. Mit einer schienengebundenen Straßenbahn, versteht sich.

Als Straßenbahnfahrer gehört Pünktlichkeit zum Job.  Was tun Fahrerinnen und Fahrer, wenn die Zeit zu knapp für die Toilette ist?

Es gibt die Fahrer*innen, welche bis zur nächsten „größeren“ Pause einhalten. Andere Kolleg*innen verzögern ihre Abfahrt an der Starthaltestelle dementsprechend und fahren mit Verspätung los. Wenn es mitten auf der Strecke wirklich eng wird, gibt es aber auch Lokale od. Geschäfte, bei denen man schnell reinspringen kann, um zumindest Pinkeln zu können. Die Zeit von Flaschen oder Ähnlichem sind hoffentlich vorbei.

Das will ich noch an unsere ver.di Kolleginnen und Kollegen und die es noch werden wollen, richten:

Nur gemeinsam sind wir in der Lage, erfolgreiche Tarifverhandlungen durchzuführen, für unsere Forderungen zu kämpfen und für diese einzustehen. Darum Solidarität, darum gemeinsam stark, darum Gewerkschaft!

 

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